Kommunikation und Kooperation seit 2002

Interview mit dem Vorstandsvorsitzenden Meinhardt und der Ehrenvorsitzenden Scherrer über die bisherige, die aktuelle und die zukünftige Geschichte des WirtschaftsForums Neuwied

Innerhalb von zehn Jahren hat sich das WirtschaftsForum Neuwied zu einer einflussreichen Organisation in der Deichstadt entwickelt. Gegründet von acht Unternehmen aus den Gewerbegebieten Distelfeld und Friedrichshof im November 2002, ist die Mitgliedszahl mittlerweile auf 126 angewachsen. Diese Betriebe beschäftigen rund 10 000 Mitarbeiter. Die RZ sprach mit Hans-Peter Meinhardt, dem WiFo-Vorsitzenden, und mit Brigitte Ursula Scherrer, der WiFo-Ehrenvorsitzenden, über die Gründe des Erfolges, über Probleme und Zukunftsaussichten.

Ursula-Scherrer

Von Beginn an im WiFo-Vorstand in verschiedenen Positionen tätig: die
heutige Ehrenvorsitzende Brigitte Ursula Scherrer.

Frau Scherrer, was war vor zehn Jahren der ausschlaggebende Grund, das WirtschaftsForum zu gründen?

Scherrer: Sich besser kennenzulernen, sich auszutauschen und auch voneinander zu lernen, das waren drei wesentliche Aspekte bei der Gründung. Davon versprachen wir uns nicht nur positive Anstöße für die einzelnen Mitgliedsunternehmen. Es war und ist nach wie vor unsere Überzeugung, dass durch diese Kommunikation und Kooperation auch das Wir-Gefühl gestärkt und ein wertvoller Beitrag zur Förderung und Sicherung des Standorts insgesamt geleistet wird.

Am Anfang stand ja der Austausch zwischen den Unternehmen im Vordergrund. Schnell wurden aber auch handfeste Projekte umgesetzt, wenn man einmal an den Ausbildungsverbund denkt. War damit bei der Vereinsgründung zu denken?

Scherrer: Wir waren uns schon bewusst, leistungsfähige und kompetente Unternehmen am Standort und in unseren Reihen zu haben. Dass aber schon so früh eine so weitreichende und konkrete Kooperation wie der Ausbildungsverbund möglich wurde, die landesweit und sogar darüber hinaus Modellcharakter haben dürfte, dies hat uns zwar nicht unbedingt überrascht, aber schon gefreut und auch ein wenig stolz gemacht.

Was hat sich seit Gründung des WirtschaftsForums in der Zusammenarbeit der Unternehmen in Neuwied verändert?

Scherrer: Ich denke, die Unternehmen spüren immer stärker, welche Bedeutung Kooperationen haben. Und zwar vor allem für die mittelständischen Betriebe, die sich in Zeiten der Globalisierung in einem immer härteren Wettbewerb sehen. Dass wir als WirtschaftsForum den einen oder anderen Beitrag zur Förderung von Kooperationen leisten konnten, ist im Blick zurück auf die vergangenen zehn Jahre sicher als einer der
wesentlichen Erfolge unserer Arbeit zu werten.

Hanz-Peter-Meinhardt

Seit September 2011 an der Spitze des Neuwieder WirtschaftsForums: der
Vorsitzende Hans-Peter Meinhardt.

Herr Meinhardt, das WiFo hat in den vergangenen Jahren auch öfter klar Stellung zu relevanten Themen bezogen. So hat Ihr Verein beispielsweise gegen den Abzug von Landeseinrichtungen aus Neuwied protestiert. In der jüngeren Vergangenheit sind solche Stellungnahmen seltener zu hören. Ist also alles zu Ihrer Zufriedenheit bestellt, oder gehen Sie andere Wege, um Ihre Interessen durchzusetzen?

Meinhardt: Das WirtschaftsForum ist weder eine Partei noch eine Protestbewegung. Und der Verein hat weder ein Mandat noch einen Auftrag, etwas „durchzusetzen“. Wir betrachten und beurteilen die jeweiligen Situationen aus der Sicht von Wirtschaftsunternehmen, also aus der Sicht unserer Mitglieder, und äußern uns dazu. Wir sind lange nicht mit allen Entwicklungen zufrieden. Aber wir stehen dafür ein, in konstruktivem Miteinander die Region nach vorne zu bringen und positive Akzente zu setzen – bewusst als Gegenentwurf zu denen, die destruktiv unterwegs sind. Das WiFo sucht nicht nur nach Lösungsansätzen, sondern setzt sie auch um, zum Beispiel beim Ausbildungsverbund, bei zwei erfolgreich umgesetzten Forschungsprojekten oder bei der Förderung der dualen Hochschulausbildung. Dennoch legt auch das WiFo hin und wieder den Finger in die Wunden und verschafft sich Gehör, so u.a. in diesem Jahr bei der Erhöhung der Gewerbesteuer in Neuwied.

Das WirtschaftsForum hat mit dem Vorschlag, die hiesige Region als Oberzentrum zu formieren und ein Gegengewicht zu den Metropolen Rhein/Main und Köln/Bonn zu bilden, Aufsehen erregt. Sehen Sie Chancen, dass Ihr Vorschlag eines Tages Realität wird?

Meinhardt: Beim Blick in die Zukunft wird klar, dass es besonderer Grundlagen und Angebote bedarf, damit die Menschen in dieser Region bleiben und neue hinzuziehen. Zahl und Qualität der Arbeitsplätze stehen in direktem Zusammenhang mit der Attraktivität des Umfeldes. Im Neuwieder Becken gibt es tolle Schul-, Freizeit-, Kultur- und Sportangebote. Außerdem günstigen Wohnraum in einer der schönsten Lagen Deutschlands. Von oben gesehen ist der Bereich von Koblenz/Lahnstein bis Neuwied/Andernach mit einer Großstadt vergleichbar – nicht nur von der Ausdehnung her, sondern auch von den vielfältigen Angeboten. Was die eine Stadt nicht hat, ist bei der anderen zu finden. Was uns vorrangig fehlt, ist eine gemeinsame Präsentation, eine gemeinsame Vermarktung unter einer gemeinsamen Dachmarke. Das wird kommen, weil es kommen muss – sonst werden wir von den künftigen Entwicklungen ausgeschlossen.

Allenthalben wird vom drohenden Fachkräftemangel gesprochen. Sehen Sie hier eine Aufgabe des WirtschaftsForums, im Sinne Ihrer Mitglieder tätig zu werden?

Meinhardt: Der Fachkräftemangel ist schon da und kann real wahrgenommen werden. Das WirtschaftsForum hat hier eine konkrete Aufgabe und begegnet dieser Situation mit drei Lösungsansätzen: Wir pflegen intensiven Kontakt mit den Schulen und werben mit unseren Ausbildungsplätzen um den Nachwuchs, zum Beispiel mit dem Zukunftstag in der Realschule plus. Auf der zweiten Ebene bringen wir die Betriebe mit den Hochschulen zusammen. Durch Angebote dualer Hochschulausbildungen, die hinsichtlich ihrer Studiengänge mit den Bedürfnissen der heimischen Betriebe und Branchen einhergehen müssen, besteht die Chance, den akademischen Nachwuchs in der Region zu halten. Die Erfahrung zeigt: Wenn jungen Leute erst einmal zum Studium in die Großstädte abgewandert sind, bleiben sie auch dort, z.B. weil sie von den dortigen Betrieben Praktikums- und Arbeitsplätze angeboten bekommen. Die dritte Ebene ist die grundsätzliche Standortentwicklung, bei der es darum geht, neben optimalen Grundlagen hinsichtlich Ansiedlung und Bestand von Unternehmen für ein lebenswertes Umfeld zu sorgen. Die so genannten „weichen“ Faktoren wie z.B. günstiger Wohnraum, Angebote für Freizeit, Sport, Einkauf und Weiterbildung sind wichtige Größen bei der Entscheidung für einen Arbeitsplatz.

Herr Meinhardt, Sie sind seit gut einem Jahr Vorsitzender des WirtschaftsForums. Welche neuen Akzente haben Sie bereits gesetzt und wollen Sie in Zukunft setzen?

Meinhardt: Durch die Vorstandsneuwahl 2011 hat es viele personelle Veränderungen gegeben – nahezu einen Generationswechsel. Dadurch bedingt mussten Strukturen verändert, angepasst oder gebündelt werden. Seit Januar 2012 haben wir zum Beispiel eine eigene Geschäftsstelle, in denen die Fäden der Vereinsarbeit zusammenlaufen. Nach dieser Phase der Umstrukturierung richtet sich die Tätigkeit wieder voll und ganz an den Mitgliederinteressen aus: Kommunikation und Kooperation, Austausch von Wissen und Erfahrung, Einmischung bei allen Themen, die die Zukunftsfähigkeit des Standortes betreffen. Diese Aufgaben stellen unverändert den Kern des WirtschaftsForums und die Zielrichtung der Vorstandsarbeit dar. Die Schwerpunkte liegen bei der Standortentwicklung, der Aus- und Weiterbildung sowie der Öffentlichkeitsarbeit.

Wenn Sie einmal zehn Jahre weiterblicken: Wo soll das WirtschaftsForum Ihrer Meinung nach dann stehen?

Meinhardt: Wenn es weiterhin gelingt, dass das WirtschaftsForum wie bisher Initiator und Motor positiver Entwicklungen in der Region ist, haben wir unseren Auftrag erfüllt. Auch in den nächsten zehn Jahren soll das WirtschaftsForum Bindeglied zwischen den Unternehmen, dem Land, den Kommunen, den Schulen und Hochschulen sein – und Sprachrohr im Interesse der Mitglieder. Diese werden im Verbund weitaus stärker gehört, als es einem einzelnen Unternehmen möglich ist.

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